Salzburger Nachrichten
10. November 2001

50 Millionen Schilling Schmerzensgeld für Angehörige

50 Millionen Schilling Schmerzensgeld für Angehörige

Das Unglück

von Kaprun ist, gemessen an der Zahl der betroffenen Angehörigen, auch einer der größten Versicherungsfälle, die in Österreich je abgewickelt wurden. Es war mit 155 Toten die schlimmste Katastrophe in Friedenszeiten seit dem Brand des Ringtheaters in Wien, bei dem am 8. Dezember 1881 386 Menschen umkamen. Die Gletscherbahnen verfügen über eine Betriebshaftpflichtversicherung bei der Generali Versicherung im Ausmaß von 320 Millionen Schilling (23,26 Mill. ). Unabhängig vom Verschulden haftet der Bahnbetreiber bei Unfällen wegen technischer Gebrechen nach dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeug-Haftpflichtgesetz (EKHG). Pro Opfer beträgt die Summe maximal 4 Mill. S. Die Generali rechnet damit, dass die Versicherungssumme ausreicht. Sollte die Justiz entscheiden, dass weitere Firmen oder Institutionen eine Mitschuld am Unglück trifft, würde sich später einmal die Belastung für die Generali reduzieren.

Den Hinterbliebenen
der 155 Opfer wird ein pauschales "seelisches Schmerzensgeld" in Aussicht gestellt. Dabei betreten die Gletscherbahnen und die Versicherung juristisches Neuland in Österreich und setzen ein Zeichen. "Einen Ersatz für das, was sie verloren haben, können wird nie und nimmer bieten", sagt Erik Eybl, Leiter der Schadenabteilung bei Generali. Insgesamt sollen als Schmerzensgeld bis zu 50 Mill. S (363 Mill. ) ausbezahlt werden.

Das Modell
sieht 100.000 S (7267,3 ) für jeden nahen Angehörigen (Eltern, Ehegatten bzw. Lebensgefährten und Kinder) eines Opfers vor. Haben Eltern ein Kind verloren, stehen ihnen zusammen 200.000 S zu. Die meisten betroffenen Familien sollen zwischen 300.000 und 500.000 S erhalten. Die Generali habe dabei "einerseits die spärliche Rechtsprechung, andererseits die Entwicklung in Deutschland etwa nach dem Zugunglück von Eschede herangezogen". Nach der Katastrophe in Niedersachsen mit 101 Toten im Juli 1998 zahlte die Deutsche Bahn pro Opfer einheitlich 30.000 DM (15.338,76 /211.066 S). Dieser Betrag werde durch das Generali-Modell "in der Regel übertroffen", so die Versicherung, und berücksichtige die jeweiligen Familienverhältnisse besser. Eybl: "Wir sagten: Es betrifft ja die Angehörigen der Opfer." Bedingung für das Schmerzensgeld ist eine fachärztliche Bestätigung, dass die Hinterbliebenen durch die Katastrophe von Kaprun psychisch beeinträchtigt wurden.

Unterhaltsansprüche
bilden den weitaus größten Teil der Gelder, die ausbezahlt werden. Die Generali geht von etwa 220 Mill. S (15,99 Mill. ) aus. Bei einzelnen Familien können auch nach österreichischem Recht zweistellige Millionensummen zusammenkommen, betont Eybl. So wurden durch den Brand der Standseilbahn im Tunnel mehr als ein Dutzend Kinder zu Vollwaisen. Hier sind Unterhaltszahlungen - etwa bis zum Abschluss eines Studiums - über mehr als zwei Jahrzehnte möglich. Insgesamt gibt es 55 Kinder und mehrere Eheleute, die Anspruch auf Unterhalt haben. Mit den Zahlungen - sie erfolgen laufend wie eine Rente - wurde laut Eybl bereits begonnen. Insgesamt hat die Versicherung bisher etwa 30 Mill. S (2,18 Mill. ), ausbezahlt. Dazu zählten Überführungs- und Begräbniskosten sowie der Ersatz von Sachschäden. Etwa 4 Mill. S (290.691 ) wurden als Vorschüsse für Unterhaltsansprüche geleistet, so Eybl.

Die Versicherung
der Gletscherbahnen Kaprun AG umfasst übrigens auch Anwaltskosten. Insgesamt etwa 10 Mill. S sind bei der Generali dafür veranschlagt. Sollten Organe der Betreiberfirma vor Gericht kommen, muss die Versicherung deren Verteidiger bezahlen. gs

 

Viele Wege zum Abschied

Manche leiden still, andere suchen Schuldige. Viele Angehörige hoffen, die gemeinsame Trauer in Kaprun macht den Jahrestag leichter erträglich.

HEINZ BAYER
GERALD STOIBER

Es wird eine Katastrophe werden. Ich habe Angst vor diesem Tag. Ich habe Angst, dass all diese Gefühle wieder hochkommen. Aber ich muss nach Kaprun. In der Gemeinschaft mit den anderen Trauernden wird der Jahrestag leichter zu ertragen sein," hofft Ursula Geiger aus Übersee im Chiemgau. Ihr Leben hat sich mit dem Tod des Sohnes grausam verändert. 1997 eröffnete sie ein Sportgeschäft. "Sebastian war immer dabei. Wir waren ein gutes Team." Jetzt ist das Geschäft verkauft. Mit großem Verlust. "Ich hab das einfach nicht mehr ertragen, ständig mit der Erinnerung konfrontiert zu sein." Geiger wird am Sonntag mit ihrem Mann nach Kaprun fahren. Der hatte sich zunächst geweigert, will nun den Jahrestag aber doch dort erleben, wo der Sohn starb. Die Tochter bleibt zuhause, will von der Tragödie nichts mehr hören.

Familie Geiger steht mit ihrem Schicksal für das von 154 anderen Familien. Der Freundin, Anneliese Ferstl (42) aus Ruhpolding, gehe es "heute so schlimm wie am ersten Tag". Ihr Mann hatte ein kleines Fuhrunternehmen. Sein Tod bedeutete das Aus für die Firma. Geiger: "Zur Trauer und zum Alleinsein kamen auch noch große Geldsorgen dazu." Anneliese Ferstl wurde schwer krank. Sie bekommt eine Witwenpension von 70 DM (492,50 S/35,8 ). Geiger: "Sie muss immer wieder einen Lkw oder einen Bagger abverkaufen. Wie es weitergehen soll ist unklar."

Vor allem Stimmen aus der Region sagen, es sei nach einem Jahr genug getrauert. Man müsse sich dem Leben zuwenden. Peter Fässler-Weibel, Psychologe aus der Schweiz, der im Auftrag der Gletscherbahnen Kaprun ein Betreuungsprogramm für Hinterbliebene erarbeitete, widerspricht: "Wer solche Forderungen aufstellt, hat nie getrauert. Der Schmerz des Verlustes kennt den Faktor Zeit nicht. Jeder Hinterbliebene hat das Recht, so lange und so intensiv zu trauern, wie ihm danach ist." Die Versuche, den Verlust zu überwinden, sind höchst unterschiedlich. "Es geht darum, einen Verabschiedungsmodus zu finden, in der man das Opfer stehen lassen und selbst weiterleben kann", sagt ein namhafter Salzburger Psychiater. Er will, ebenso wie ein Kollege, nicht genannt werden, um nicht in die Auseinandersetzung unter den Gruppen der Hinterbliebenen hineingezogen zu werden. Fässler-Weibel erntete für seine Angebote zur Betreuung vielfach Anfeindungen. Auf jeden Fall sei es positiv, wenn beim Gedenktag "die Angehörigen selbst etwas machen", sagt ein anderer, versierter Psychiater. Ohnmächtige Wut zähle ebenso zu ganz normalen Gefühlen in bestimmten Phasen der Trauer wie die Suche nach Schuldigen für den Tod eines geliebten Menschen. Die Bandbreite der Reaktionen sei ganz normal, so die Fachärzte.

Manche Hinterbliebene leiden still, andere tragen Agression zur Schau. Wieder andere bemühen sich, Leidensgenossen zu helfen, weitere beschäftigen sich intensiv mit den Ermittlungen der Justiz bzw. Fragen der Tunnelsicherheit.

"Ich kenne drei Leute in Wien, die weinen nur . . .", sagt Gustl Prohaczka aus Wien. Er und seine Frau Erika verloren ihren einzigen Sohn in Kaprun. Skitrainer Martin Prohaczka (26) aus Wien starb mit japanischen Nachwuchstalenten. Drei Buben aus Deutschland, die Martin trainiert hatte, betreut jetzt der Vater. "Die Jugend gibt mir die Kraft", sagt der kranke Frühpensionist. Er habe Hunderte Briefe und Geld von wildfremden Menschen bekommen und will 100.000 S für die in Kaprun geplante Gedenkstätte widmen. Prohaczkas Wunsch: Mitsprache in der Jury beim Wettbewerb, den die Gemeinde leitet.

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salzburger Nachrichten
10. November 2001

Gedenken an Opfer der Kaprun-Katastrophe

Mit Mozarts Requiem wurde Samstagabend in der Stiftskirche der Salzburger Erzabtei St. Peter jener 155 Menschen gedacht, die am 11. November vergangenen Jahres bei der Brandkatastrophe in der Gletscherbahn auf das Kitzsteinhorn starben. Im Altarraum der Stiftskirche brannten in Erinnerung an die Opfer 155 Kerzen, die von roten Rosen umgeben waren.

Zu der Gedenkstunde am Vorabend des ersten Jahrestages der Brandkatastrophe waren zahlreiche Menschen, darunter auch viele Angehörige und Freunde der Opfer, gekommen. Zahlreiche Helfer und Einsatzkräfte, Salzburger sowie Vertreter der Bundesregierung, des Landes, der Behörden, der Kirchen, der Gemeinde Kaprun und der Gletscherbahnen nahmen an der musikalischen Gedenkstunde teil. Aufgeführt wurde Mozarts Requiem vom Chor und Orchester "Pro Musica Sacra" Salzburg.

Am Sonntag findet ein Gedenkmarsch vom Ortszentrum Kaprun zur Talstation der Gletscherbahn statt. Anschließend wird es eine Gedenkstunde bei der Talstation geben. Auch der Sonntagsgottesdienst in der Pfarrkirche Kaprun steht ganz im Zeichen des Gedenkens.

© APA

Politiker: "Tief empfundenes Mitgefühl"

LH Schausberger zum ersten Jahrestag der Brandkatastrophe in Kaprun. LHStv. Burgstaller: Angehörige brauchen auch "stille Trauer".

SALZBURG (SN). Anlässlich des ersten Jahrestages der Brandkatastrophe in Kaprun gaben Landeshauptmann Franz Schausberger und die für das Rettungswesen ressortzuständige Landeshauptmann-Stellvertreterin Gabi Burgstaller Stellungnahmen zum Gedenken an die Opfer sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen ab. Schausberger, der den Großeinsatz in Kaprun geleitet hatte, erinnerte mit folgenden Worten an dieses Unglück:

"Am Samstag, dem 11. November 2000, hat sich in Kaprun ein Unglück ereignet, das die ganze Welt erschütterte. Es war dies in Österreich die größte Katastrophe seit Ende des Zweiten Weltkrieges. 18 Menschen wurden verletzt gerettet, 155 Menschen fanden bei der Fahrt auf den Berg den Tod.

Mit der Brandkatastrophe in der Standseilbahn auf des Kitzsteinhorn hat das Schicksal den Angehörigen der Opfer eine Prüfung auferlegt, die mit unseren begrenzten menschlichen Kräften wohl kaum zu bewältigen ist. Auch heute, ein Jahr später, gilt unser tief empfundenes Mitgefühl all den schwergeprüften Angehörigen und Hinterbliebenen der Opfer. Wir werden den Opfern stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Als Landeshauptmann von Salzburg danke ich am ersten Jahrestag dieser schrecklichen Katastrophe allen jenen, die damals im Einsatz gestanden sind und denen dieses Unglück eine fast übermenschliche Leistung abgerungen hat.

Das Unglück hat bei uns tiefe Spuren hinterlassen. Möge es uns Mahnmal sein, wie klein der Mensch ist und wie falsch es ist, an die totale technische Machbarkeit zu glauben."

Burgstaller: "Wunden heilen langsam"

Landeshauptmann-Stellvertreterin Burgstaller erklärte zum Jahrestag der Tragödie: "Die Wunden, die das Seilbahnunglück von Kaprun vor einem Jahr geschlagen hat, heilen nur langsam. Angesichts des Ausmaßes des Unglücks ist es für die Betroffenen ungemein schwer, den Weg aus der Ohnmacht zu finden. Auch nach einem Jahr der tiefen Trauer brauchen die Menschen, die Freunde oder Verwandte im Gletschertunnel von Kaprun verloren haben, nach wie vor unser Mitgefühl.

Einer Klärung der Schuldfrage kommt bei der Verarbeitung der Katastrophe große Bedeutung zu. Ich hoffe, dass in diesem Sinn auch die offenen Verfahren rasch und fair abgeschlossen werden. Bei all diesen Fragen müssen weiterhin die Anliegen und Sorgen der Angehörigen im Mittelpunkt stehen.

Gerade am ersten Jahrestag ist für die betroffenen Menschen neben der Anteilnahme der Öffentlichkeit die Möglichkeit zur Einkehr und zur stillen Trauer ganz wichtig. Es ist gut, dass das Land auf große, offizielle Trauerveranstaltungen verzichtet hat."

© SN

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Kampf der Anwälte: Mit Bihänder und Florett

Wie Ed Fagan und seine Partner Millionen an Entschädigungen für die Hinterbliebenen der Opfer erstreiten wollen.

SALZBURG (SN). Am 14. November des vergangenen Jahres, drei Tage nach dem verheerenden Unglück, trat erstmals ein Mann in Zusammenhang mit der Katastrophe in Erscheinung, der schon zuvor in Österreich Bekanntheit erlangt hatte: Der New Yorker Anwalt Ed Fagan bot sich Hinterbliebenen der 155 Opfer als Rechtsbeistand an. Fagan hatte bereits für Holocaust-Opfer und NS-Zwangsarbeiter Millionen erstritten. Unterstützt wurde er dabei vom Münchner Advokaten Michael Witti. Das bereits eingespielte Duo kooperiert in der Kaprun-Causa mit dem Salzburger Anwalt Jürgen Hinterwirth.

Während Fagan und Witti in ihren öffentlichen Auftritten gerne zum Bihänder greifen, hantiert der Salzburger eher mit dem Florett, um zu entsprechenden Informationen zu gelangen. Beispiele:

Ende Jänner schickte Fagan einen US-Soldaten in den Tunnel und ließ diesen dort den verschollenen Ring eines verunglückten Kameraden suchen. Die Aktion fand zu Beginn der Zugs-Bergungsarbeiten statt, enorme mediale Aufmerksamkeit war gewiss.

Anfang Mai erklärte Fagan den heimischen Behörden gar den Krieg ("No more, it's war now!") und berichtete darüber, dass Körperteile von Kaprun-Opfern in Salzburg begraben worden seien. Ende Mai wurde das Grab auf dem Kommunalfriedhof gefunden. Neue Vorwürfe gegen die Salzburger Jus-tiz wurden in Anwesenheit schwer getroffener Angehöriger vor laufenden Kameras erhoben. Fagan und Co. kam zugute, dass das Landesgericht im Umgang mit der veröffentlichten Meinung, sprich den Medien, zunächst wenig Geschick an den Tag legte.

Die Zahl der Mandanten wuchs. Mittlerweile, so sagt Anwalt Hinterwirth im SN-Gespräch, vertrete man gemeinsam die Angehörigen von zirka 80 Opfern. Hinterwirth, die SN berichteten, beantragte in aller Form beim Landesgericht die Erstellung ergänzender Gutachten.

"Die Kooperation zwischen Gericht und uns ist gut. Staatsanwältin und U-Richterin sind sehr bemüht", meinte Hinterwirth vorsichtig.

Die Aussichten auf Zuerkennung von Schadenersatz für seine Mandanten durch US-Gerichte beurteile er positiv. Die beklagten Unternehmen (Swoboda, Siemens, Verbund etc.) verfügten in den USA über Vermögen. Michael Witti hält rund drei Mill. D-Mark/1,5 Mill. @euro pro Opfer für möglich.

Zurückhaltender betrachtete der Salzburger Jurist Franz Matscher die Sache: Präzendenzfälle (z. B. Union Carbide, 1987) hätten gezeigt, dass ähnlich gelagerte Klagen mit einer Zurückweisung geendet hätten. Und über Fagan schrieb Matscher im SN-Staatsbürger: "Ed Fagan ist ohne Zweifel eine interessante Persönlichkeit, die vor allem die Technik der Selbstinszenierung beherrscht (. . .). Er ist Missionar, Scharlatan und Geschäftsmann in einem, und er hat mit seinem Vorgehen zugegebenermaßen beachtliche Erfolge erzielt."

© SN

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Die Schuldfrage ist noch ungeklärt

22 Personen wegen Fahrlässigkeit angezeigt. Entscheidung über Anklageerhebung nicht vor dem Jahreswechsel.

SALZBURG (SN, APA). 155 Menschenleben hat am 11. November 2000 der Brand im Tunnel der Standseilbahn auf das Kitzsteinhorn in Kaprun gekostet. Die Kriminalabteilung der Gendarmerie Salzburg hat sich seither eingehend mit der Frage beschäftigt, wer an dem Unglück Mitschuld tragen könnte. Gegen 22 Personen sind mittlerweile Strafanzeigen wegen fahrlässiger Herbeiführung einer Feuersbrunst eingebracht worden. Bis Jahresende sollte sich entscheiden, ob und gegen wen die Staatsanwaltschaft Anklage erheben wird. Mit der Zustellung der Strafanträge wäre dann nicht vor dem Frühjahr 2002 zu rechnen.

Zur Anzeige gebracht wurden u.a. drei Angestellte der Gletscherbahnen Kaprun AG als Betreiber der Unglücksbahn, zwei Mitarbeiter der Firma Swoboda (Einbau des Heizlüfters), zwei Techniker der Firma Rexroth (Montage der Hydraulik), zwei Beamte der Zulassungsbehörde im Verkehrsministerium, zwei Mitarbeiter des TÜV Österreich sowie einen Prüftechniker eines Zivilingeneurbüros.

In den zuletzt durchgeführten Einvernahmen soll sich herausgestellt haben, dass der als Brandursache geltende Heizlüfter nicht kontrolliert worden ist und dass bei der großen TÜV-Überprüfung im Jahr 1997 die Hydraulik des Unglückszuges ebenfalls nicht entsprechend in Augenschein genommen wurde.

Auch an der Brandschutztür könnte die Staatsanwaltschaft Anstoß nehmen: Die zwischen dem Tunnel und dem "Alpincenter" angebrachte Tür hatte sich nach dem Unfall nicht geschlossen und so das Eindringen von Giftgasen ermöglicht. Für den automatischen Türantrieb soll es keine generelle Zulassung gegeben haben.

Neben der strafrechtlichen Komponente stehen die Schadenersatzforderungen der Angehörigen zur Entscheidung, die - sollte es keinen Vergleich geben - wohl von einem Zivilgericht behandelt werden müssen. Der Münchner Anwalt Michael Witti, der Angehörige von 14 Opfern vertritt, rechnet eigenen Angaben zufolge damit, dass pro Opfer rund 21 Mill. S (1,53 Mill. Euro) bezahlt werden.

© SN

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Kaprun zwischen Totengedenken und Aufbruchsstimmung

Ort hat kräftig in sein touristisches Angebot investiert.

KAPRUN (SN, APA). Ein Jahr nach der Brandkatastrophe in der Standseilbahn auf das Kitzsteinhorn ist die Stimmung in Kaprun zumindest wenige Tage vor dem Gedenktag gespalten: Dass der erste Jahrestag des Unglücks ganz unter dem "Diktat der Trauer" stehen wird, stößt in der Gemeinde mehr als nur auf Verständnis, wird vielmehr als Verpflichtung für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Katastrophe angesehen. Zugleich ist aber eine Aufbruchsstimmung wahrzunehmen: Hoteliers, Geschäfte und natürlich die Gletscherbahnen haben in den vergangenen Monaten massiv in die Zukunft investiert.

Die touristische Nachfragesituation "ist schlicht und ergreifend gut", sagt Kapruns Tourismusdirektor Hans Wallner. Verglichen mit dem Vorjahr verzeichne man ein Plus von 15 bis 20 Prozent. Zu einem sehr großen Teil profitiere Kaprun - wie überhaupt der gesamte Alpenraum - nach dem Terror in den USA davon, ein "Boden nahes" Reiseziel, sprich: für Mitteleuropäer ohne Flugzeug erreichbar zu sein. Zum anderen sei der Ort nicht untätig gewesen und habe kräftig investiert. Die neue Seilbahn beispielsweise, an der derzeit mit Hochdruck gebaut wird und die zur Jahreswende in Betrieb gehen soll, werde die "modernste, komfortabelste, sicherste - und wahrscheinlich auch teuerste der Welt" sein, wie Wallner anmerkt.

Investiert haben auch die Hoteliers, und zwar vor allem in den qualitativen Ausbau des Angebots: Zimmer wurden renoviert, der Wellnessbereich verbessert. Ähnlich die Situation im Handel, wo zum Beispiel die beiden Sporthäuser Bründl und Moreau im Buhlen um kaufkräftige Kundschaft für jedermann weithin sichtbar "hochgerüstet" haben.

Im Gespräch mit Kaprunern wird meist eines sehr schnell deutlich: Die Menschen im Ort bekennen sich zum Gedenken, zugleich aber fordern sie auch ihr "Recht aufs Weiterleben" ein. Das Unglück sei "Teil der Geschichte, dazu muss man stehen", sagt beispielsweise Bürgermeister Norbert Karlsböck. Nach dem seinerzeitigen Gefühl der Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit habe sich mittlerweile aber wieder Optimismus durchgesetzt. Die neue Bahn etwa werde durchwegs "positiv aufgenommen", auch viele Hinterbliebene würden die wirtschaftliche Notwendigkeit dieses Baus einsehen.

Die "provisorische" Gedenkstätte an der Talstation - ein mit Blumen geschmücktes Holzkreuz, an dem zahlreiche Trauernde ihre "letzten Grüße" deponiert haben - kann jedenfalls ebenso wenig wie der bereits ausgeschriebene Wettbewerb für das geplante Mahnmal darüber hinweg täuschen, dass der erste Gedenktag in Kaprun als "Zäsur" in der Aufarbeitung betrachtet wird: Nach dem 11. November will man wieder den Blick nach vorne richten und Pläne für eine hoffnungsvolle Zukunft schmieden. Oder wie es Tourismus-Chef Wallner formuliert: "Am 12. November starten wir voll durch."

© SN

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Die Seilbahn-Katastrophe von Kaprun - eine Chronologie

155 Menschen sind am 11. November 2000 binnen Sekunden hilflos im Tunnel der Kapruner Gletscherbahn verbrannt.

SALZBURG, WIEN (SN, APA). Als sich am 11. November 2000 um 9.02 Uhr die Garnitur der Standseilbahn auf das Kitzsteinhorn bei der Talstation in Kaprun in Bewegung setzte, dachten die Urlauber in der voll besetzten Kabine an einen wunderbaren Skitag auf dem Gletscher. Wenige Minuten später verglühten sie in einem Feuerinferno, das zur schlimmsten Katastrophe in der Zweiten Republik werden sollte. 155 Tote lautete die endgültige Bilanz des Unglücks. Nachfolgend eine Chronologie der wichtigsten Ereignisse.

11. November 2000: Um 9.02 Uhr fährt die Garnitur der Standseilbahn auf das Kitzsteinhorn ab. Acht Minuten später meldet der Zugführer, dass eine Kabine brennt. Um 11.00 Uhr wird bekannt, dass sich einige Personen aus dem brennenden Zug im Tunnel retten konnten. Um 13.00 Uhr teilt der Salzburger Landeshauptmann Franz Schausberger mit, dass es abgesehen von den Geflüchteten keine weiteren Überlebenden gibt. Über die genaue Opferzahl - 155 Tote - herrscht dennoch erst Tage später Klarheit. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ordnet Staatstrauer an.

12. November 2000: In Kaprun befinden sich mehr als 1.000 Helfer inklusive Psychologenteams vor Ort im Einsatz. Unterdessen werden mehrere Details bekannt. So befanden sich eine Gruppe von 32 Welser Magistratsbeamten und eine Gruppe Jugendlicher aus Güssing und Jennersdorf im Südburgenland in der Unglücksgarnitur. Neben zahlreichen anderen Veranstaltungen - darunter eine Sondersitzung des Nationalrats - wird auch ein Treffen der OPEC-Minister in Wien abgesagt und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Aus dem Ausland treffen zahlreiche Kondolenzschreiben ein.

13. November 2000: Die Salzburger Landesregierung hält eine Trauersitzung ab. In deutschen Medien wird erste Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen laut. Die Salzburger Staatsanwaltschaft leitet Vorerhebungen zur Unglücksursache ein. Die bei dem Unglück getöteten US-Soldaten und deren Angehörige werden identifiziert.

14. November 2000: Die Familien der aus Bayern stammenden Opfer bereiten Klagen vor. Auch US-Anwalt Ed Fagan schaltet sich erstmals ein und bietet den Angehörigen Rechtshilfe an. Auf dem Gleiskörper der Standseilbahn werden Substanzen gefunden.

15. November 2000: Die offizielle Opferbilanz lautet 155 Tote. Demnach starben 152 Personen im Tunnel und weitere drei Menschen in der Bergstation.

16. November 2000: Die Bergung der Leichen in Kaprun wird endgültig abgeschlossen.

17. November 2000: Im Salzburger Dom findet ein Trauergottesdienst für die Opfer statt. An der Zeremonie nehmen unter anderem Bundespräsident Thomas Klestil, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Nationalratspräsident Heinz Fischer, der deutsche Kanzler Gerhard Schröder, der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber und der slowenische Ministerpräsident Andrej Bajuk teil. Unterdessen wird auch klarer, welchen Imageschaden die Katastrophe dem österreichischen Tourismus zugefügt hat: 40 Prozent der Deutschen lehnen laut einer Umfrage einen Österreich-Urlaub ab.

24. November 2000: Der Abtransport der Opfer beginnt. Die Identifikation ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen.

7. Dezember 2000: Knapp vier Wochen nach der Katastrophe starten die Gletscherbahnen Kaprun in die Wintersaison.

13. Dezember 2000: Zwei Angehörige von Kaprun-Opfern besuchen mit Ed Fagan die Salzburger Staatsanwaltschaft. Sie beklagen sich darüber, schlecht informiert zu sein.

8. Jänner 2001: Ed Fagan kritisiert im Zusammenhang mit der Kaprun-Katastrophe das österreichische Rechtssystem. Die Ansprüche der Opfer würden "nicht fair bewertet und kompensiert". Deswegen bringe er Klagen vor US-Gerichten ein. In der Folge werden weitere Klagen angekündigt und eingebracht.

30. Jänner 2001: Die ÖBB beginnen mit der Bergung des Seilbahnwracks. Am 28. Februar 2001 ist der Abtransport beendet. In Linz wird es schließlich einer genauen Untersuchung unterzogen.

29. August 2001: Laut Medienberichten soll ein defekter Heizlüfter schuld an der Katastrophe gewesen sein.

6. September 2001: Die Ergebnisse der Gutachten werden offiziell präsentiert. Die Version vom Defekt im Heizlüfter wird bestätigt.

© SN

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Gedenkgottesdienste in Salzburg und Wels

Auch in den einzelnen Pfarren wird der Kaprun-Opfer gedacht.

SALZBURG, LINZ (SN, APA). Gewidmet vom Land Salzburg findet am Vorabend des ersten Jahrestages der Brandkatastrophe vom Kitzsteinhorn, am Samstag, 10. November, um 18.30 Uhr, in der Stiftskirche der Erzabtei St. Peter eine musikalische Gedenkstunde statt, die allgemein zugänglich ist. Dabei führen Solisten, Chor und Orchester "Pro Musica Sacra Salzburg" unter der Leitung von Bernhard Gfrerer Mozarts Requiem KV 626 auf. Zum Gedenken an die 155 Opfer werden im Altarraum 155 Kerzen aufgestellt. Auch in Wels wird für die Opfer des Infernos ein Gedenk-Gottesdienst am Vortag des Jahrestages gehalten.

An alle Pfarrämter der Erzdiözese Salzburg erging ein Diözesanbrief, in dem gebeten wird, beim jeweiligen Sonntagsgottesdienst am 11. November auf dieses Unglück einzugehen. Am Jahrestag selbst gedenkt auch die Gemeinde Kaprun der Opfer; das gemeinsam mit mehreren Angehörigen erarbeitete Programm liegt in alleiniger Verantwortung der Gemeinde Kaprun. Die vom Unglück betroffenen Gletscherbahnen haben - wie berichtet - angekündigt, ein besonderes Zeichen der Trauer zu setzen: Die Anlagen werden am Gedenktag, 11. November, still stehen.

Der Termin 10. November wurde in Wels von den Angehörigen mit der Begründung gewünscht, dass etliche von ihnen am Tag darauf bei der Gedenkfeier in Kaprun teilnehmen wollen. In der zweitgrößten Stadt Oberösterreichs sind 32 Familien von dem Seilbahn-Unglück betroffen. Die Welser hatten an einem Ausflug des Magistrates teilgenommen. Die Stadt hält mit den Angehörigen engen Kontakt, die Terminwahl und die Gestaltung des Gedenkens in Wels erfolgt, nachdem alle nach ihren Wünschen befragt worden waren.

Ein katholischer und ein evangelischer Geistlicher bereiten demnach für den 10. November eine rund einstündige ökumenische Feier in der Stadtpfarrkirche vor. Die Stadt rechnet mit 70 bis 100 Teilnehmern aus den betroffenen Familien. Einige Angehörige deponierten bei der Befragung im Zusammenhang mit der Gedenkfeier: "Ich möchte nicht in eine Kamera schauen müssen."

© SN

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news,
10. Nov. 2001

Sonntag: Gedenkmarsch in Kaprun

Mit Mozarts Requiem wurde Samstagabend in der Stiftskirche der Salzburger Erzabtei St. Peter jener 155 Menschen gedacht, die am 11. November vergangenen Jahres bei der Brandkatastrophe in der Gletscherbahn auf das Kitzsteinhorn starben.

Im Altarraum der Stiftskirche brannten in Erinnerung an die Opfer 155 Kerzen, die von roten Rosen umgeben waren. Die Stiftskirche war bis auf den letzten Platz gefüllt.

Zu der Gedenkstunde am Vorabend des ersten Jahrestages der Brandkatastrophe waren zahlreiche Menschen, darunter auch viele Angehörige und Freunde der Opfer, gekommen. Zahlreiche Helfer und Einsatzkräfte, Salzburger sowie Vertreter der Bundesregierung, des Landes, der Behörden, der Kirchen, der Gemeinde Kaprun und der Gletscherbahnen nahmen an der musikalischen Gedenkstunde teil. Aufgeführt wurde Mozarts Requiem vom Chor und Orchester "Pro Musica Sacra" Salzburg.

Am Sonntag findet ein Gedenkmarsch vom Ortszentrum Kaprun zur Talstation der Gletscherbahn statt. Anschließend wird es eine Gedenkstunde bei der Talstation geben. Auch der Sonntagsgottesdienst in der Pfarrkirche Kaprun steht ganz im Zeichen des Gedenkens.

 

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