salzburg.orf.at

11. 5. 2001

 

Angehörige gedenken der 155 Opfer
Heute vor einem halben Jahr sind im Stollen der Kapruner Gletscherbahn 155 Skifahrer verbrannt. Die Angehörigen gedenken der Toten und stellen entlang der Straße zur Gletscherbahn 155 Kreuze auf.


Schlichte Gedenkstätte bei Kaprun
Schon unmittelbar nach dem Unglück gab es erste Vorschläge für eine Gedenkstätte für die Toten. Ein Angehöriger wollte 155 Figuren auf dem Kitzsteinhorn aufstellen, andere dachten an eine Gebetshalle.

Doch jetzt hat sich die Meinung geändert. Der Schweizer Psychologe Peter Fässler-Weibel hat mittlerweile mit vielen Angehörigen über eine Gedenkstätte gesprochen: "Ein überwiegender Teil der Angehörigen geht dahin, dass sie einen schlichten Ort der Besinnung in der Umgebung von Kaprun wollen."

Die Frage nach einer Gedenkstätte soll Samstag in einer Woche auch in Kaprun gestellt werden: "Letztlich sind sie genauso betroffen wie die Angehörigen", sagt Fässler-Weibel.

 

 

 

 

 

 

Versicherungen sollen großzügig sein
In die Trauer mischen sich auch finanzielle Sorgen. Fässler-Weibel hat deshalb eine Forderung an die Versicherungen: "Ein außergewöhnlicher Todesfall wie in Kaprun verursacht Kosten. Und es ist nicht mehr als Anstand, wenn diese Kosten von den Versicherungen großzügig behandelt werden und nicht kleinlich abgerechnet werden muss. Hier müssen sicher einige Versicherungen dazulernen."

An die Familien wurden bisher 21 Millionen Schilling ausbezahlt, insgesamt werden alle Hinterbliebenen rund 320 Millionen bekommen, schätzt die Generali.

 

Fagan erklärt Justiz den Krieg
US-Opferanwalt Ed Fagan ist das aber zu wenig. Er vertritt 21 Familien - darunter auch Österreicher. Fagan wählt drastische Worte: "Das wird ein Krieg. Sollten meine Klienten nicht zu ihrem Recht kommen, werden sich die Verantwortlichen wünschen, dass der Name Kaprun nie gefallen ist."

Landesgerichtspräsident Walter Grafinger nimmt diesen Angriff gelassen hin: "Ich haben den Äußerungen des Herrn Fagan bisher nie eine Bedeutung beigemessen. Wir sind diesen Umgang mit der Justiz nicht gewöhnt und möchten ihn auch nicht gewöhnt werden


Salzburger Nachrichten
11. Mai 2001

 

Halbes Jahr nach Kaprun-Katastrophe:
Gedenken der Angehörigen

155 Holzkreuze wurden am Freitag entlang der Straße zur Gletscherbahn aufgestellt.

KAPRUN (SN, APA). Ein halbes Jahr nach der Katastrophe von Kaprun, bei der nach einem
Seilbahnbrand am 11. November 2000 155 Menschen ums Leben gekommen waren, gedachten
am Freitag Väter, Mütter und weitere Angehörige von Opfern des Unglücks im Tunnel der Gletsche-
rbahn. An der zur Bahn führenden Straße wurden 155 Holzkreuze aufgestellt (im Bayer-Bild). Eine bayerische Gruppe entzündete zum Gedenken 155 Kerzen.

Insgesamt fanden 155 Personen aus sechs Ländern den Tod. Aus Österreich stammten insgesamt 93 Personen, 37 Opfer waren deutsche Staatsangehörige. Ferner starben zehn Japaner, zwei Niederländer, vier Slowenen, ein Tscheche und acht US-Amerikaner.

Die Angehörigen der Opfer aus Wien, die in Kaprun die Holzkreuze errichten, erwarten auf Grund der bisher bekannten Fakten über den Unfall sowie der ihrer Ansicht nach "respektlosen Vorgangsweise gegenüber den Angehörigen" einen raschen Rücktritt bzw. die Abberufung des Managements der Gletscherbahnen Kaprun AG.

"Der Versuch, mittels Bestellung eines 'Angehörigen-Therapeuten' die Gefühle der Angehörigen zu vereinnahmen, diese eigenmächtig zu interpretieren und darüber öffentlich Aussagen zu machen, empfinden die heute in Kaprun anwesenden Angehörigen der Wiener Opfer der Katastrophe als Affront", kritisierte der Wiener Rechtsanwalt Johannes Stieldorf - selbst ein Betroffener.

Einen Appell an die Behörden (Untersuchungsrichterin, Staatsanwaltschaft) richteten am Freitag die Gletscherbahnen AG, um ihr Betreuungsprogramm für die Hinterbliebenen verwirklichen zu können. "Wir wollen, dass die notwendigen Bewilligungen für die Hinterbliebenen - wie beispielsweise für den Besuch des Wracks in Linz oder des Tunnels am Kitzsteinhorn - erteilt werden, sagte Pressesprecher Harald Schiffl am Freitag.

Für die Gletscherbahnen AG sei vor allem eines wichtig: "WAS war Schuld am Unglück. Erst danach stellt sich die Frage nach dem WER." Man wolle den Wünschen der Angehörigen nachkommen, doch brauche man die Unterstützung der Behörden, unterstrich Schiffl.

Die Gletscherbahnen AG planen, demnächst regionale Treffen in Bayern, Wels, Kaprun uns Salzburg abzuhalten, um die Hinterbliebenen zu informieren.

zurück